chevron-perlen, teil 2: neue formen & techniken |
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Ein wichtiger Schritt in der weiteren Entwicklung der Chevron-Perlen war der Eintritt Indiens in die industrielle Glasperlen-Produktion im 19. Jahrhundert. Da ein Mangel an Maschinen und Werkzeugen ja bekanntlich den Erfindergeist beflügelt, wurde hier ein Verfahren entwickelt, Chevron-Perlen ohne die in Venedig und Amsterdam gebräuchlichen (und gut gehüteten) optischen Formen herzustellen: die Composite-Methode. Hierbei werden verschiedenfarbige, teils besonders ausgeformte mehrschichtige Glasstangen (Murrini-Stangen) um einen einfarbigen Kern herum angeordnet und nach dem Erhitzen zu kurzen Strängen ausgezogen. Diese Technik wurde soweit perfektioniert, dass mit dem bloßen Auge ein Unterschied zu den traditionell hergestellten Perlen kaum festzustellen ist (Bild 1, Mitte bis Rechts).
Bild 2 Selbstverständlich wagten auch einige Spezialisten das Abenteuer, die erhitzten Perlen"rohlinge" wieder in die Flamme des Brenners zu bringen, und mit Lampwork-Techniken weiter zu verzieren. Bei diesen sehr aufwändig herestellten Perlen ist ein sehr langsames Abkühlen auf Raumtemperatur (Tempern) nötig, damit nicht durch ungleichmässige Temperaturveränderungen im Glas Spannungsrisse entstehen, die die Perle zerstören würden. Nur sehr wenige erfahrene Perlenmacher beherrschen diese Kunst, und durch die Verwendung von alten Chevronstangen entstehen hier Kunstwerke, die die Erfahrung und das Können von vielen Generationen an Glaskünstlern und Perlenmachern in sich vereinen. Die (in Bild 3) abgebildeten Perlen wurden in einer limitierten Edition aus sechslagigen Chevronstangen aus den 20er Jahren von Luigi Catellan geschnitten und gefräst, und anschliessend von Mario Cavagnis am Brenner "veredelt". In neuerer Zeit werden die komplexesten Querschnitte durch das Kombinieren aller dieser Techniken erzeugt. In den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Amerika aufgegriffen, fanden sich rasch Liebhaber und Sammler, die aussergewöhnliche Perlen suchten und bereit waren, die extrem aufwändige Herstellung zu honorieren, sowie Künstler und Handwerker, die die Herausforderung annahmen, aus diesen Techniken einen eigenen Stil zu kreieren.
in perfektionierter Form zusammen: das Blasen und Tauchen der Grundschichten, das Überziehen mit separat geblasenen Dünnschichten aus transparenten Farben, und als Krönung das Einschmelzen von vorgefertigten Glasstäben, von denen jeder für sich genommen schon ein handwerkliches Meisterstück darstellt!Unverwechselbar jedoch werden diese besonderen Chevrons durch ein ausgeprägtes Gefühl für harmonische Formgebung, das sich nach einem abschliessenden fünfstufigen Schleif- und Poliervorgang in Tetragonalen Würfeln, ausgeprägten Bicones und langgezogenen Fassformen wiederspiegelt, im Spiel mit pastellen Opak-Farben und kräftigen Transparent-Tönen nie überladen, aber immer geheimnisvoll und faszinierend:
Eine Sonderstellung unter den stranggezogenen Perlen nehmen die sogenannten Nueva Cadiz Perlen ein. Zum Einen ist es immer noch nicht geklärt, ob diese, nach ihrem ersten Fundort in Venezuela benannten Perlen, ursprünglich aus böhmischer, tschechischer oder venezianischer Produktion stammen. Zum Anderen tauchen sie ausserhalb der Fundorte in Lateinamerika und Westafrika fast nirgendwo sonst auf...
Eine interessante Ausnahme ist auf einer Musterkarte von Domenico Bussolini im Murano Museum of Glass zu finden, ein venezianischer Perlenmacher, der 1842 für seine Arbeiten von der Stadt ausgezeichnet wurde. Aber durch die zeitliche Differenz zu den auf 1500 - 1550 datierten Ausgrabungen in Amerika entstehen mehr neue Fragen, als geklärt werden: Haben die Venezianer also eine eigene alte Technik wiederentdeckt oder einen anscheinend doch recht erfolgreichen Mitbewerber kopiert? Denn belegt ist auch, dass die Conterie noch Ende des 18. Jahrhunderts diese Art Perlen aus Böhmen importierte, und im Afrikahandel als Zahlungsmittel einsetzten, wie die Musterkarten der Bead-Broker Moses Levine & Co. im Londoner Museum of Mankind beweisen...
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